Früher, als das Leben in geordneten Bahnen verlief, traf sich der LJC in jedem Jahr an mindestens drei Wochenenden zu Proben- und Konzertphasen sowie einem größeren Projekt, das ca. eine Woche dauert. Nun, da Inzidenzen und Varianten mit griechischen Buchstaben unseren Alltag bestimmen, ist dies alles leider nicht mehr selbstverständlich.
Entsprechend groß war unser Glück, dass wir genau wie im letzten Jahr wieder eine Arbeitswoche gestalten konnten – diesmal sogar einschließlich öffentlicher Engagements. Nach einem ersten Probenwochenende im Juni, was gleichzeitig unsere erste Zusammenkunft in diesem Jahr überhaupt war, wollten wir in der Woche vom 14. bis 22. August das begonnene Repertoire festigen und auch endlich wieder vor Publikum zu Gehör bringen.
Und so fuhren wir voller Elan und Vorfreude individuell oder in kleinen Gruppen ins ferne Bochum, wohin es unseren Chordirektor Nikolaus Müller schon vor einigen Jahren beruflich verschlug. Denn erstens hatten wir dort die Möglichkeit, im Audimax auf dem Campus der Ruhr-Universität zu proben, dessen Größe und Akustik es uns erlaubte, unter Einhaltung der allgegenwärtigen (und veränderlichen) Hygieneregeln effektive Probenarbeit durchzuführen. Zweitens hatte es sich durch eine Verkettung glücklicher Umstände ergeben, dass wir im nahegelegenen Bonn die Eröffnungsfeier der Beethoven- Festes ausgestalten sollten, um den 250. Geburtstag des Komponisten zu begehen. Auf dem Programmzettel stand eine Kantate Franz Liszts zu Ehren Beethovens, die unser Projektleiter Christoph Caesar einst in einem Archiv wiederentdeckte.
Wir hatten auch früher schon Projekte mit Orchester bestritten. Jedoch war dies noch einmal eine Stufe nach oben, denn es war für uns nicht nur ein prestigeträchtiges und öffentlichkeitswirksames Engagement, sondern wurde obendrein auch noch für eine spätere Fernsehausstrahlung vom WDR aufgezeichnet. Anders als bei der Aufnahme unserer Berger-CD 2016 gab es hier aber keine Möglichkeit, mehrere Durchläufe zu machen, falls etwas schief geht, und so musste am Tage X alles sitzen. Dementsprechend rigoros war das Probenpensum im Vorlauf, das wir gemeinsam mit Sänger*innen von Niklaus’ Bochumer Chorumfeld bestritten.
In den letzten Proben vor Ort mit Orchester und dem für uns neuen Dirigenten wurde an letzten Tönen gefeilt. Worte des Lobes nach der Probe gaben uns große Zuversicht und so standen wir am Tag X herausgeputzt und selbstbewusst auf der breiten Bühne. Und sie war breit, denn auch hier gab es Abstandsregeln zu beachten, durch die wir eine sehr herausfordernde Aufstellung einnehmen mussten: etwa 50 Personen in nur zwei Reihen auf fast 40 Meter Breite. Aber die Probenarbeit hat sich ausgezahlt und ich habe den Auftritt als vollen Erfolg in Erinnerung.
Es blieb leider gar nicht viel Zeit zum Feiern und Ausruhen, denn noch am selben Tag ging der Probentrott weiter für unser Engagement am nächsten Tage – die musikalische Ausgestaltung einer Andacht im Mariendom von Neviges. Das gleichsam imposante wie überwältigende Bauwerk bot durch seinen riesigen Raum eine besondere Akustik. Ihr extrem langer Hall war sehr herausfordernd, aber zugleich spannend und belohnend, wenn man den ausklingenden Schlussakkord eines Stückes in sich aufsaugen konnte. Die meisten von uns haben zudem keine Erfahrung mit katholischen Messen und so war auch stimmliche Technik gefragt, um nach einer Stunde Singen in weihrauchdurchdrungener Luft noch sauber die delikaten hohen Töne anstimmen zu können.
Es war zweifelsohne eine harte Woche; es gab jeden Tag drei Probenblöcke von zusammen etwa 7 Stunden und es war ein umfangreiches Repertoire. Aber es war ebenso eine sehr wertvolle und einmalige Möglichkeit, dass man endlich wieder richtige Chorarbeit machen konnte. Viele von uns kennen sich über den LJC inzwischen seit vielen Jahren und unsere Arbeitsphasen sind *die* Gelegenheit des Jahres, sich zu treffen, auszutauschen und ein paar schöne Tage miteinander zu erleben. Ich bin sehr froh und dankbar, dass ich daran teilhaben konnte.